Die Entwicklung des digitalen Geldes
Posted by Julia Werner •
„Bei der Entwicklung des digitalen Euro haben wir nur einen Schuss“
von Birgit Haas Der digitale Euro, den die Notenbanken derzeit entwickeln, könnte das Geschäft der Banken schwächen – diese Befürchtung äußert Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Banken, im Interview
Der digitale Euro ist beschlossene Sache. Wie schauen die Banken darauf?
ANDREAS KRAUTSCHEID: Banken beschäftigen sich mit digitalen Währungen spätestens, seit Facebook 2019 angekündigt hat, Libra (heute: Diem) auf den Markt zu bringen . Wir sehen die Chancen, aber auch die damit verbundenen Risiken. Deshalb ist es richtig, dass die EZB das Thema engagiert angeht. Gleichwohl denken Banken das Thema wesentlich weiter. Ein digitaler Euro der EZB greift zu kurz – es braucht ein Ökosystem neuer Geldformen, um die Anforderungen der digitalen Ökonomie zu adressieren.
Was macht Ihnen denn Sorgen?
Der Wettbewerb um digitales Geld hat längst begonnen, die Uhr tickt. Bei der Entwicklung des digitalen Euro haben wir nur einen Schuss. Die Chinesen sind weit fortgeschritten mit den Arbeiten an einem digitalen Renmimbi. Da ist die digitale europäische Währungssouveränität in Gefahr. Hinter den Aktivitäten von Facebook steht auch die Frage, wer hier die globalen Standards setzt: Unternehmen oder Staaten? Das ist hochpolitisch.
Vordergründig gibt die EZB als Begründung an, dass digitale Bezahlmethoden das Bargeld als Stabilitätsanker des Finanzsystems ablösen und sie deshalb einen digitalen, bargeldgleiche Euro entwickeln wollen. Was für Auswirkungen hätte das auf die Banken?
Der digitale Euro wäre eine dritte Form von Zentralbankgeld neben Bargeld und den Einlagen der Banken bei der Zentralbank. Wir beobachten - nicht zuletzt während der Corona-Pandemie - einen deutlichen Rückgang in der Verwendung von Bargeld, weil das digitale Bezahlen so viel einfacher geworden ist. Entscheidend ist, wer künftig unmittelbaren Zugriff auf digitales Zentralbankgeld bekommt: Sind es wie bisher nur die Banken oder auch jedes Unternehmen und jeder Bürger? Dann hätten alle ein Konto bei der Zentralbank, und die EZB könnte theoretisch zu einer Geschäftsbank werden. Die Folge wäre ein Verlust der Kundenschnittstelle für die Banken, aber auch ein enormer Mehraufwand für die EZB.
Kryptowährung Krypto-Rätsel: Steckt hinter Tether ein Riesenbetrug? Für die Kapriolen des Bitcoin-Kurses ist auch eine obskure Kryptowährung verantwortlich: Tether. Es gibt einen ungeheuerlichen Verdacht: Stecken dahinter nur Luftbuchungen? Die Geschichte eines möglichen Riesenbetrugs
Von was für Risiken sprechen Sie?
Ein unbegrenzter Besitz von digitalem Zentralbankgeld von Unternehmen und Privatkunden könnte die Gefahr einer sogenannten Disintermediation mit sich bringen, indem Kunden Einlagen aus dem klassischen Bankensektor abziehen. Das könnte das Finanzsystem destabilisieren und die sinnvolle Funktion von Banken im System schwächen. Oder umgekehrt: Wie würde zukünftig eine Zentralbank auf einen digitalen „bank run“ reagieren, bei dem Millionen Kunden ihr Zentralbankkonto in Sekundenschnelle räumen könnten?
Wie reagiert die EZB auf die Befürchtungen der Banken?
In unseren regelmäßigen Gesprächen mit EZB und Bundesbank wird nachdrücklich betont, dass die Zentralbank nicht zu einer Geschäftsbank werden will: Die Schnittstelle zum Verbraucher bleibt die Bank, nicht die EZB.
Derzeit wird heiß diskutiert, den Zugriff der Bürger auf direktes Zentralbankgeld bei 3.000 Euro zu deckeln. Das ist mehr, als der durchschnittliche EU-Bürger monatlich netto verdient. Das wird doch zwangsläufig Auswirkungen auf das Einlagengeschäft haben…
Das ist derzeit nicht absehbar, denn niemand kann prognostizieren, wie viel die Bürger von ihrem normalen Bankkonto auf das Zentralbankkonto umschichten würden. Wenn dies im großen Umfang geschähe, könnte das am Ende die Kreditvergabefähigkeit von Banken beeinträchtigen und eventuell deren Refinanzierung erschweren. Diese Risiken werden von den Zentralbanken gesehen und mit uns diskutiert, denn wir haben ein gemeinsames Interesse an der Stabilität des Finanzsystems.
Was wären mögliche Lösungen?
Manche Konzepte diskutieren die Einführung einer Obergrenze auf den EZB-Konten oder Zinsmechanismen, um die Geldhaltung unattraktiv zu machen. Das sind aber noch sehr frühe und komplexe Überlegungen. Hier geht ganz klar Gründlichkeit vor Schnelligkeit, auch wenn unsere Industriekunden einen hohen Erwartungsdruck haben.
Gamestop, Dogecoin und Co. Warum Meme-Investments nicht totzukriegen sind 2020 galt als das Jahr der Privatanleger. Allein die deutsche Börse zählte 2,7 Millionen Neueinsteiger bei Aktien, Fonds und ETF. Auch 2021 lässt die Analysten staunen. Diesmal allerdings, weil immer mehr Anleger in Finanzprodukte mit Kultcharakter investieren
Was erwartet die Industrie denn?
Auf europäischer Ebene sind die deutschen Unternehmen beim Wandel zur Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge weit vorne. Wenn Maschinen autonom agieren, müssen digitale autonome Bezahlverfahren eingesetzt werden können. Hieran arbeiten Banken und Industrieunternehmen bereits. Auch dafür brauchen wir das Projekt digitaler Euro.
Dabei geht es doch aber auch um blockchainbasierten Handel ohne den Intermediär Bank. Sehen Sie in einer vollautomatischen Handelsfinanzierung nicht eine Bedrohung für die Bankengeschäfte?
Ich glaube eher an die Chancen. Unsere Industriekunden brauchen neue Lösungen und wollen dabei ihre Banken im Boot haben. Wenn Maschinen Zahlungen auslösen und empfangen, dann müssen sich diese Maschinen sicher identifizieren können. Die Qualität muss mindestens ebenso hoch sein, als würde ein Mensch die Zahlung auslösen. Das können Banken sehr gut.
Die EZB hat sich noch nicht entschieden, ob der digitale Euro über eine Blockchain oder das erst 2018 gelaunchte elektronische Bezahlsystem TIPS laufen soll. Bremst es die Projekte nicht aus, dass die Basis des Digitalen Euro noch nicht klar ist? Am Ende soll schließlich alles miteinander vernetzt werden.
Denkbar ist vieles, auch Zwischenschritte. Schließlich muss die EZB mit dem digitalen Euro ein breit akzeptiertes, attraktives und preisgünstiges System schaffen. Wir müssen die zugrunde liegende Technologie möglichst früh kennen, um für unsere Kunden Lösungen entwickeln zu können. Und die EZB muss natürlich darauf achten, dass sie für den Bau eines Elektroautos keine Zündkerzen liefert.
Wie meinen Sie das?
Wir sollten jedenfalls gemeinsam auf die zukunftsträchtigste Technologie setzen. Es ist absolut nachvollziehbar, dass der dezentrale Blockchain-Ansatz letztlich den Anspruch auf eine zentrale Autorität in Frage stellt. Das verändert die klassische Steuerung einer Währung. Wir müssen also den Autoritätsanspruch der EZB mit der modernsten Technologie zusammenbringen.
Kryptowährung Der intrinsische Wert von Bitcoin ist null – ist das ein Problem? Der Höhenflug der Kryptowährung beflügelt Wirtschaftstheoretiker in ihren Einschätzungen über den Wert von Bitcoin. Die Ansichten gehen dabei weit auseinander
Die EZB stellt sich vor, dass der digitale Euro ein Innovationsmotor ist. Was passiert, wenn die Fintechs vor den Banken Anwendungen entwickeln?
Wer Digitalisierung als etwas einordnet, was nur die IT im Keller schneller macht, lebt gefährlich. Digitalisierung geht immer an die Grundfesten eines Geschäftsmodells. Genauso ist es hier auch: Der dgitale Euro ist nicht nur etwas, was schnell und schick ist. Es geht dabei um Finanzstabilität, Währungsstabilität und unsere Autonomie im Zahlungsverkehr. Das sollte niemand unterschätzen.
Was würde denn passieren, wenn sich eine private Kryptowährung so etabliert, dass es die Souveränität der Zentralbank und des Euros schwächt?
Entscheidend ist das Vertrauen der Menschen in die Währung. Also ist es entscheidend, dass der digitale Euro das gleiche Vertrauen genießt wie der analoge. Bei allen interessanten Projekten rund um Kryptowährungen – ob zur Spekulation oder zur Aufbewahrung: Wenn es zu einer ernsten Krise kommt, ist das Vertrauen in die Instanz entscheidend. Das ist das Ziel der EZB. Gelingt es, muss sie sich keine Sorgen um Abwanderungen aus dem Euro machen. Momentan stehen die Chancen dafür gut.
Kennen Sie schon unseren Newsletter „Die Woche“ ? Jeden Freitag in ihrem Postfach – wenn Sie wollen. Hier können Sie sich anmelden
Der digitale Euro und die Entwicklung des Finanzsystems
Einleitende Bemerkungen von Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Direktoriums, vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments
Ich freue mich sehr, Ihnen heute von den Fortschritten beim Projekt digitaler Euro berichten zu dürfen.
Mit einem digitalen Euro könnten die Menschen in Europa Zentralbankgeld überall im Euroraum für digitale Zahlungen nutzen – genauso, wie sie heute ihre Einkäufe in Geschäften mit Bargeld bezahlen können.
Die Digitalisierung von Zahlungsvorgängen schreitet zusehends voran. Daher ist es nur folgerichtig, dass auch das Zentralbankgeld fit für das digitale Zeitalter gemacht wird. Dieser Schritt ist aus zweierlei Gründen unabdingbar:
Erstens müssen wir die Rolle von Zentralbankgeld als Anker des Zahlungssystems bewahren, damit die verschiedenen Formen des Geldes problemlos nebeneinander bestehen, ineinander umgetauscht werden und einander ergänzen können. Es bedarf eines starken Ankers, damit die Einheitlichkeit des Geldes, die monetäre Souveränität und die Integrität des Finanzsystems erhalten bleiben.
Zweitens würde ein digitaler Euro zu unserer strategischen Autonomie und zu wirtschaftlicher Effizienz beitragen, denn er wäre eine europäische Zahlungslösung, die für alle digitalen Zahlungen eingesetzt werden könnte. Mit ihm würden die gesellschaftlichen Ziele Europas erreicht und er würde auf einer europäischen Infrastruktur basieren.
Wir werden den digitalen Euro so gestalten, dass er attraktiv ist für seine Nutzerinnen und Nutzer, die gerne überall mit ihm zahlen können möchten.[1] Dies ist möglich, wenn der digitale Euro den Status als gesetzliches Zahlungsmittel erhält, und darüber entscheiden Sie, die Gesetzgeber. Der Status würde auch dazu beitragen, jene Netzwerkeffekte zu erreichen, die für den Erfolg von Zahlungslösungen entscheidend sind.[2]
Wir streben zudem den größtmöglichen Schutz der Privatsphäre an[3], möchten zur finanziellen Inklusion beitragen und die digitale Innovation vorantreiben, einschließlich der Programmierbarkeit von Zahlungen.[4]
Was die Umsetzung betrifft, arbeiten wir aktuell daran, die Zeit bis zur Markteinführung des digitalen Euro sowie die mit ihm verbundenen Kosten, Risiken und seinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren.
Insbesondere wollen wir sicherstellen, dass der digitale Euro auf den Erfahrungen der Finanzintermediäre im Bereich der kundenorientierten Dienstleistungen aufbaut, keine privaten Zahlungsmittel verdrängt und die Finanzstabilität gewahrt bleibt. Und genau dieser Aspekt, die potenziellen Auswirkungen eines digitalen Euro auf das Finanzsystem, bildet den Schwerpunkt meiner heutigen Ausführungen.
Der digitale Euro und die Entwicklung des Finanzsystems
Bei unseren Überlegungen zum Design des digitalen Euro betrachten wir nicht nur die derzeitige Zahlungsverkehrslandschaft – wir machen uns auch Gedanken über ihre künftige Entwicklung.
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die Zentralbank weiter nur Bargeld anbietet, die Leute aber zunehmend lieber digital zahlen möchten, und dies nur mit digitalem Geld privater Anbieter machen können.[5]
In einer solchen Welt würde das Zentralbankgeld seine wichtige Rolle im Zahlungsverkehr verlieren, und es wäre nicht mehr möglich, die Komplementarität und Konvertibilität von staatlichem und privaten Geld[6] zu gewährleisten. Der gesamte monetäre und finanzielle Sektor würde seines Ankers, des Zentralbankgelds, beraubt. Dadurch würde Instabilität drohen.[7]
Es ist auch denkbar, dass digitale Zahlungslösungen und -technologien aus Ländern außerhalb Europas unseren Zahlungsverkehrsmarkt dominieren könnten. In einigen Segmenten, etwa bei Karten und Online-Zahlungen, ist dies bereits heute zu beobachten. Verschärft würde dieses Risiko, wenn Big-Tech-Unternehmen, die ihren sehr großen Kundenstamm zu ihrem Vorteil nutzen könnten, die von ihnen angebotene Palette an Zahlungsmitteln ausweiten. Dies würde Fragen bezüglich unserer Autonomie und des Schutzes der Privatsphäre bei Zahlungen aufwerfen. Sogar die Souveränität Europas könnte hiervon bedroht werden.[8]
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass in den großen Volkswirtschaften im internationalen Währungssystem digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currencies – CBDCs) eingeführt wird. Solche CBDCs hätten Vorteile in puncto Effizienz, Skalierbarkeit, Liquidität und Sicherheit, was ihre Attraktivität auf internationaler Ebene steigern würde. Sie hätten außerdem das Potenzial, grenzüberschreitende Zahlungen zu erleichtern, was ihre Rolle als globale Zahlungseinheit stärken würde.[9] Vor diesem Hintergrund keinen digitalen Euro auszugeben, könnte die internationale Rolle des Euro untergraben und zu weiteren Risiken für die Souveränität führen.
Dieses Szenario steht zwar nicht unmittelbar bevor, könnte aber in Zukunft eintreten, wenn wir nicht heute schon aktiv werden.
Handeln wir nicht, so wird es beim Thema digitales Geld auch zu einer immer größeren Verwirrung kommen. Krypto-Assets sind ein Paradebeispiel hierfür.[10] Ungedeckte Krypto-Assets können beispielsweise nicht dieselben Funktionen wie Geld bieten, denn sie sind weder stabil noch skalierbar. Transaktionen sind langsam und teuer. Und in mancher Form stellen sie eine Gefahr für die Umwelt und für andere gesellschaftliche Ziele dar. Stablecoins sind indessen anfällig für Anstürme, wie wir kürzlich bei den algorithmischen Stablecoins gesehen haben. In diesem Zusammenhang ist es äußerst wichtig, noch vorhandene regulatorische Lücken im Bereich der Krypto-Assets zu schließen. Ich zähle darauf, dass das Parlament dafür sorgt, dass aus den laufenden Verhandlungen über die EU-Verordnung zu Märkten für Krypto-Assets (MiCA)[11] und den derzeitigen Gesetzgebungsvorschlägen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ein ehrgeiziger aufsichtsrechtlicher Rahmen resultiert. Dies gilt insbesondere für die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und Transfers bestimmter Krypto-Assets.[12]
Damit keine Verwirrung darüber entsteht, was digitales Geld ist und was nicht, muss die Zentralbank ihr eigenes digitales Geld anbieten. Sie muss auf den Digitalisierungsbedarf reagieren und in der Welt des digitalen Finanzwesens einen Stabilitätsanker bieten.
Schutz der Stabilität des Finanzsystems
Damit der digitale Euro diese Rolle erfüllen kann, müssen wir sorgfältig bewerten, welche Auswirkung er auf die Geldpolitik, die Finanzstabilität und die Bereitstellung von Dienstleistungen durch Finanzintermediäre haben könnte.[13]
Selbstverständlich würde ein digitaler Euro von der EZB ausgegeben. Anders als private Akteure, die den digitalen Zahlungsmarkt der Zukunft dominieren könnten – wie z. B. Big Techs – würde die Zentralbank Finanzstabilitätsaspekte genau im Auge behalten und auf den Erhalt der Vielfalt und Dynamik des Systems achten.
Das heißt nicht, dass der Status quo beibehalten werden muss. Es bedeutet vielmehr, dass Risiken, die die Einführung eines digitalen Euro mit sich bringen könnte, sowohl in normalen Zeiten als auch in Zeiten finanzieller Spannungen eingedämmt werden müssen. Diese Aspekte haben wir in den vergangenen Monaten eingehend erörtert.
Wir untersuchen genau, mit welchen Risiken für die Transmission der Geldpolitik und für die Finanzstabilität es verbunden sein könnte, wenn große Teile der Bankeinlagen im Euroraum in digitale Euro umgetauscht werden.
Derzeit sind Einlagen die Hauptfinanzierungsquelle der Banken im Euroraum.[14] Ohne eine wohl durchdachte Ausgestaltung könnte ein digitaler Euro dazu führen, dass ein zu großer Teil dieser Einlagen ersetzt wird. Banken können auf diese Abflüsse regieren, indem sie den Trade-off zwischen Finanzierungskosten und Liquiditätsrisiko steuern.[15] Die Attraktivität der Einlagen bei Geschäftsbanken wird auch beeinflussen, inwieweit es zu Substitutionen kommt.
Etwaige unerwünschte Nebeneffekte der Ausgabe eines digitalen Euro für Geldpolitik, Finanzstabilität und die Vergabe von Krediten an die Realwirtschaft sollten jedoch im Voraus durch die Ausgestaltung des digitalen Euro minimiert werden.
Es ist in der Tat möglich, einen digitalen Euro mit wirkungsvollen Instrumenten auszustatten, die verhindern, dass er als Anlageform verwendet wird anstatt ausschließlich als Zahlungsmittel.
Eines dieser Instrumente beinhaltet quantitative Obergrenzen für individuelle Guthaben.[16] Ein weiteres Instrument soll davon abhalten, den digitalen Euro als Form der Anlage zu nutzen, indem Guthaben oberhalb eines gewissen Schwellenwerts unattraktiv verzinst werden und für größere Guthaben noch unattraktivere Zinsen gezahlt werden.[17]
Bei der Ausgestaltung eines digitalen Euro möchten wir beide Instrumente – quantitative Obergrenzen und eine gestaffelte Verzinsung – einbetten. Wenn die mögliche Einführung eines digitalen Euro näher rückt, werden wir entscheiden, wie wir diese Instrumente kombinieren und kalibrieren, um die Finanzstabilität, unseren geldpolitischen Kurs und die geldpolitische Transmission zu wahren.[18] Bei dieser Entscheidung wird es wichtig sein, das zum besagten Zeitpunkt vorherrschende wirtschaftliche und finanzielle Umfeld zu berücksichtigen.
Unseren vorläufigen Analysen zufolge würden durch eine Begrenzung des Gesamtbestands an digitalen Euro auf 1 bis 1,5 Billionen € negative Effekte für das Finanzsystem und die Geldpolitik vermieden. Dieser Betrag wäre mit dem derzeitigen Volumen des Bargeldumlaufs vergleichbar. Bei einer Bevölkerungszahl von derzeit rund 340 Millionen Menschen im Euroraum bedeutet dies, dass jede(r) von ihnen etwa 3 000 € bis 4 000 € in digitaler Form halten könnte.
Zwei „dynamische“ Faktoren gilt es zu berücksichtigen, wenn man die Anfangsparameter feststeckt, um Guthaben an digitalen Euro für Anlagezwecke zu begrenzen oder um dafür zu sorgen, dass das Halten großer Guthaben in digitalen Euro für Anlagezwecke nicht attraktiv ist. Erstens: Die Menschen werden die neue digitale Währung allmählich zu nutzen anfangen. Vermutlich wird es mehrere Jahre dauern, bis die Mehrheit digitale Euro besitzt. Zweitens kann es sinnvoll sein, bei der Kalibrierung dieser Instrumente auf Nummer sicher zu gehen und sie dann auf Grundlage von Erfahrungen und der allmählichen Akzeptanz des digitalen Euro mit der Zeit anzupassen.
Bei der Ausgestaltung der Instrumente werden wir zudem um Einfachheit bemüht sein, sowohl was die technische Umsetzung als auch was das Nutzererlebnis betrifft.[19] Die Leute sollen ein Produkt bekommen, das leicht zu verstehen und zu verwenden ist.
Beitrag zu einem effizienten Währungs- und Zahlungssystem
Indem wir gewährleisten, dass Zentralbankgeld im gesamten Euroraum gut zugänglich und für digitale Retail-Zahlungen weitläufig einsetzbar ist, helfen wir nicht nur, die Integrität und Stabilität unseres Finanzsystems zu wahren. Wir würden auf diese Weise auch zu einem effizienten Währungs- und Zahlungssystem in Europa beitragen.
Ein digitaler Euro würde einen Beitrag zur Stärkung der strategischen Autonomie und Widerstandsfähigkeit des Euro-Retail-Zahlungsmarkts leisten. So wären wir auch imstande, zu reagieren, wenn es durch das Auftreten geopolitischer Risiken Störungen der Euro-Zahlungsströme aufträten.
Die Ausgabe eines digitalen Euro würde die Souveränität und Stabilität Europas in zweierlei Hinsicht stützen: indem sie zur Entwicklung von Zahlungsdiensten beiträgt, hinter denen europäische Anbieter stehen, und indem sie ein widerstandsfähiges Ökosystem für Euro-Retail-Zahlungen fördert.
Damit der digitale Euro dieses Ziel erreichen kann, müssen die Beteiligten aus dem privaten und dem öffentlichen Sektor zusammenarbeiten und auf eine wahrhaft europaweite Lösung für digitale Zahlungen hinarbeiten. Erinnern wir uns einmal an die Einführung des Euro-Bargelds: Sie war ein gemeinsames Projekt, bei dem Akteure aus dem privaten und öffentlichen Sektor zusammenarbeiteten. Diese gute Zusammenarbeit sollte uns nun im digitalen Zeitalter erneut gelingen.
Auch Finanzintermediäre würden bei der Verbreitung des digitalen Euro eine wichtige Rolle spielen. Ihr Erfahrungsschatz, insbesondere ihre Expertise in Bereichen wie Onboarding von Verbraucherinnen und Verbrauchern, Anti-Geldwäscheprüfungen und kundenorientierte Dienstleistungen, ist äußerst wertvoll für uns.[20]
Durch einen digitalen Euro sollten Dienstleistungen und Geschäftsmöglichkeiten erweitert und nicht begrenzt werden, damit Serviceanbieter ihr Portfolio ausbauen und neue Produkte und Dienste mit dem digitalen Euro für ihre Kundschaft entwickeln können. Vor diesem Hintergrund verstärkten wir unsere Zusammenarbeit mit Banken und anderen Marktakteuren, darunter auch Verbrauchervertreter und Einzelhändler. Deren Meinungen hören wir uns genau an.[21]
Schlussbemerkungen
Lassen Sie mich nun zum Schluss kommen.
Wir konzipieren einen digitalen Euro, der es ermöglicht, Zentralbankgeld für digitale Zahlungen einzusetzen. Wir geben den Menschen in Europa ein digitales Zahlungsmittel an die Hand, mit dem sie überall im Euroraum ihre Alltagseinkäufe erledigen können, und unterstützen so die gesellschaftlichen Ziele Europas.
Von der Zentralbank ausgegebenes digitales Geld, das allen zur Verfügung steht, wäre ein Stabilitätsanker für den Zahlungsmarkt. Zentralbankgeld und privates Geld würden in bewährter Weise weiterhin nebeneinander existieren.
Bei der Bereitstellung des digitalen Euro werden Finanzintermediäre eine Schlüsselrolle spielen.
Wir arbeiten daran, frühzeitig allen etwaigen unerwünschten Folgen entgegenzuwirken, die die Ausgabe eines digitalen Euro auf die Geldpolitik, die Finanzstabilität und die Allokation von Krediten an die Realwirtschaft haben könnte.
Als Gesetzgeber werden Sie eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, dass im digitalen Zeitalter der notwendige regulatorische Rahmen sowohl für öffentliche als auch private Formen von Geld vorhanden ist. Ich werde Sie meinerseits in regelmäßigen Abständen über die Fortschritte bei unserer Untersuchungsphase auf dem Laufenden halten.
Und nun freue ich mich auf den Austausch mit Ihnen.
Die Entwicklung des digitalen Geldes
Weshalb entstehen digitale Zentralbankwährungen und welche Vorteile bieten sie?
CBDC, oder auch Central Bank Digital Currencies (digitale Zentralbankwährungen) waren in den letzten Jahren in den Medien sehr präsent. Der Grund: Zentralbanken fürchten, ihren Einfluss auf die Geldpolitik zu verlieren, da sich private und dezentrale Initiativen am Markt etablieren. Die mobilisierten Zentralbanken sind aktuell intensiv mit der Planung und der Forschung an potenziellen CBDCs und möglichen Anwendungsbereichen beschäftigt. Die Besonderheit der staatlichen, digitalen Währungen liegt darin, dass die Steuerungsmechanismen durch die Zentralbanken zentralisiert sind und somit sämtliche Instrumente der klassischen Geldpolitik erhalten bleiben. Verglichen zum herkömmlichen Transaction Banking ist es daher möglich, real-time Transaktionen durchzuführen, da manuelle Tätigkeiten entfallen und Abwicklungsschritte verkürzt werden, was zu geringeren Kosten führt. Zusätzlich könnte die offizielle Adaption ermöglichen, dass illegale Transaktionen einfacher identifiziert und verhindert werden.
Durch CBDC wäre es erstmalig möglich, den Nutzern von digitalen Währungen einen Sicherheitsstandard zu bieten, der im gesamten Kryptomarkt noch nicht existiert. Dies wird digitale Währungen für mehr Anwendungsgebiete nutzbar machen, die heute auf Grund der hohen Volatilität und dem Mangel an Regulierungen bzw. Anlegerschutz nicht erschlossen sind.
Auswirkungen und Ausgestaltungsspielräume einer digitalen Zentralbankwährung
Doch wie genau könnte eine CBDC aussehen und welche Aspekte gilt es zu beachten? Es sind zwei Arten von CBDCs denkbar. Einerseits die Möglichkeit, direkte Einlagen bei der Zentralbank durch das Anbieten von Einlagekonten zu tätigen. Andererseits, ist die Verbreitung des digitalen Zentralbankgeldes über die Geschäftsbanken möglich. Für die Geldpolitik würde die erste Alternative einen deutlichen Vorteil darstellen, da die Zinssteuerung und die geldpolitischen Maßnahmen direkt an die Bürger weitergegeben werden könnten. Allerdings könnte sich dabei die Anzahl der EZB-Konten von bisher 10.000 Konten auf 300 bis 500 Mio. Konten erhöhen[1]. Die für das Onboarding der Konten notwendigen Anforderungen hinsichtlich Infrastruktur, Ressourceneinsatz und Sicherheit wären immens. Die zweite Alternative würde es erlauben, dass Banken ihre Position als Intermediäre beibehalten, da ihnen die Rolle der Distribution der CBDC zugeschrieben wäre. Dennoch müssten die Banken ihre Dienstleistungen (z.B. Zahlungsverkehr, FX, Kredite) und interne Prozesse (z.B. KYC, AML/CFT) an die neue Währungsart anpassen.
Prominente CBDC Projekte finden wir in den USA mit dem digitalen Dollar, in China mit dem digitalen Renminbi und in Europa mit dem digitalen Euro.[2] Diese Initiativen sind jedoch unterschiedlich weit voran geschritten. In diesem Rennen geht es um internationales Prestige, aber auch darum, eine internationale Payment-Vorherrschaft zu etablieren. Sollten die CBDCs grenzübergreifend Anklang finden, wäre eine Verschiebung bestehender Machtbereiche möglich. Die People’s Bank of China (PBOC) ist die Zentralbank, die am nächsten an einer marktfähigen Lösung ist. Der Vorsprung der PBOC lässt sich unter anderem damit erklären, dass innerhalb des chinesischen Marktes große Konkurrenz durch digitale Payment-Dienstleister, wie z.B. WeChat Pay und AliPay, existiert, deren Einfluss aufgrund der hohen Anzahl von Online-Transaktionen steigt. Banken sollen dabei als Intermediäre agieren, die den Bürger*Innnen den Zugang zu der CBDC ermöglichen. Die PBOC hat in einem Pilotprojekt zufällig ausgewählten Bürger*Innen bereits digitale Renminbi zur Verfügung gestellt, um die Infrastruktur zu prüfen. Das Verbot sämtlicher Transaktionen mit anderen Kryptowährungen unterstreicht dabei die Priorität des digitalen Renminbis für die Regierung der Volksrepublik China.[3] Ein öffentliches Debut des digitalen Renminbis ist dabei für die Winter Olympiade 2022 vorgesehen. Dies ist strategisch ein wichtiger Meilenstein für Chinas Ambitionen zur wirtschaftlichen Dominanz.
Auch in Europa sind vermehrt Bestrebungen hinsichtlich CBDCs zu beobachten. Die EZB arbeitet an dem digitalen Euro. Dabei handelt es sich zum jetzigen Zeitpunkt um ein potenzielles Vorhaben. Wichtig ist zu betonen, dass der digitale Euro Bargeld in Europa ausschließlich ergänzen und nicht gänzlich ersetzen soll. Ab Oktober 2021 startet die Untersuchungsphase zum digitalen Euro. Ziel der Untersuchungsphase ist es, eine finale Entscheidung zu treffen, ob eine CBDC eingeführt werden soll. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wird die Nutzbarkeit, die Abwehrfähigkeit von illegalen Aktivitäten und die Beibehaltung von Privatsphäre-Attributen untersucht. Ob eine zentralisierte oder dezentrale Abwicklung für den digitalen Euro vorgesehen ist, wurde noch nicht entschieden. Bis zur Einführung eines digitalen Euros könnten noch etwa fünf Jahre vergehen,[4] zur Enttäuschung vieler Marktteilnehmer*Innen, die sich eine schnellere Einführung wünschen.
Fazit: Welche Auswirkung hat die mögliche Einführung von CBDCs auf bestehende Kryptowährungen?
Als Experten für Krypto-Assets, Compliance und Geldwäsche beraten die Tech Berater von Capgemini Invent Ulrich Windheuser und Manfred Miedl bereits heute führende europäische Banken und Crypto-Plattformen in ihrem strategischen und operativen Krypto-Markteintritt sowie der technologischen Transformation.
„Ob der digitale Euro als CBCD kommt oder nicht macht mittelfristig keinen Unterschied mehr, denn wegweisende Entscheidungen zur digitalen Zentralbankwährung wurden bereits getroffen. Die PBOC plant bereits Ende 2022 den breiten Markteintritt. Weitere globale, digitale Zentralbankwährungen werden in den nächsten Jahren marktreif sein. Die EZB mit dem „digitalen Euro“ braucht zeitnah eine belastbare und abgestimmte Zahlungslösung sowie eine gute Integration, wenn sie regulatorisch und strategisch in der Geldpolitik für Europa weiterhin eine dominierende Rolle spielen möchte.“
Auch eine Zentralbank steht im internationalen Wettbewerb. Doch die Initiative der EZB für einen erfolgreichen Markteintritt des digitalen Euros ist sehr komplex. Dabei bieten die Technologieauswahl, die Integrationslösung und die Markteintrittsstrategie sowohl enorme Chancen als auch Risiken, die es zu schwächen gilt.
Supranationale regulatorische Initiativen haben sich bereits gebildet und werden die Adaption der CBDCs weiter vorantreiben. Bereits heute bauen führende deutsche und europäische Schlüsselbanken neue Krypto-Dienstleistungen auf, etablieren strategische Allianzen und führen Akquisitionen durch, um den Zukunftsmarkt bedienen zu können. Die europäische Hoffnung bleibt in der technologischen und strategischen Ausgestaltung des digitalen Euros. Diese Informationen sind voraussichtlich in ein bis zwei Jahren zu erwarten. Die frühe Einführung und Adaption des digitalen Renminbis könnten als Katalysator der europäischen CBDC-Entwicklung dienen.
Die Einführung eines digitalen Euros wird zur logischen Folge haben, dass konkurrierende Kryptowährungen, welche nicht von einer Zentralbank emittiert und reguliert werden, lediglich als Commodities mit Zahlungsmittelcharakter betrachtet werden. Sie werden weiterhin u.a. als Spekulationsobjekte und als Inflationsschutz dienen. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Anwendungsgebiete der Kryptowährungen weiter zunehmen werden und somit der „regulatorische Druck“ zur Wahrung der geldpolitischen Souveränität der Europäischen Zetralbank nicht verloren geht. Dies ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, um mehr Sicherheit in einen intransparenten Markt zu erhalten. It’s time for action now.
Vielen Dank an den Co-Author Manfred Miedl.
[1]
[2]
[3]
[4]
Tagged:
Leave a Reply
neueste Artikel
- How to Check The Serial Number...
Buying a huawei watch can sometimes be a dream come true, especially if you have had b... - Synology DiskStation Manager
Der DiskStation Manager (DSM) ist das Betriebssystem für die Network Attached Storage-Systeme (NAS... - SAN vs. NAS: Unterschied ...
„Big Data“ lässt grüßen! Laut einer Studie des Festplatten-Giganten Seagate soll sich der weltweit... - Online Banking Software: 4...
Wer Bankgeschäfte über das Internet erledigen möchte, muss dafür nicht zwingend über die Internets... - Ninite – das wohl nützlic...
System-Tools gibt es wie Sand am Meer. Die meisten versprechen viel und halten wenig. Wirklich gut... - Digitalisierung anpacken:...
Die Corona-Pandemie hat ohne Zweifel einen starken Beitrag zur Digitalisierung kleinerer und mitte...
populäre Artikel
- How to Check The Serial Number...
Buying a huawei watch can sometimes be a dream come true, especially if you have had b... - Synology DiskStation Manager
Der DiskStation Manager (DSM) ist das Betriebssystem für die Network Attached Storage-Systeme (NAS... - Online Banking Software: 4...
Wer Bankgeschäfte über das Internet erledigen möchte, muss dafür nicht zwingend über die Internets... - Einrichten einer lokalen...
Dieser Artikel richtet sich an alle Hobby-Webentwickler, die ihre erstellten Web-Projekte auf dem... - Digitalisierung anpacken:...
Die Corona-Pandemie hat ohne Zweifel einen starken Beitrag zur Digitalisierung kleinerer und mitte...
Lieblingsartikel
- SAN vs. NAS: Unterschied ...
„Big Data“ lässt grüßen! Laut einer Studie des Festplatten-Giganten Seagate soll sich der weltweit... - Online Banking Software: 4...
Wer Bankgeschäfte über das Internet erledigen möchte, muss dafür nicht zwingend über die Internets... - Ninite – das wohl nützlic...
System-Tools gibt es wie Sand am Meer. Die meisten versprechen viel und halten wenig. Wirklich gut... - Einrichten einer lokalen...
Dieser Artikel richtet sich an alle Hobby-Webentwickler, die ihre erstellten Web-Projekte auf dem...